Es wird knapp

Jahrelang machten die Deutschen sich keine Gedanken über das Wasser, das da aus ihrem Hahn tropfte. Doch die jüngsten Sommer haben uns eines Besseren belehrt.

Von Karin Pill

Wann hatten Sie das letzte Mal so richtig Durst? Viele Menschen kennen Durst nur als kurzzeitiges Gefühl, dem man einfach Abhilfe schaffen kann. Schließlich tropft es zu jeder Tageszeit aus dem Wasserhahn, dafür muss man ihn nur aufdrehen. Doch die vergangenen Jahre, in denen die eine oder andere deutsche Gemeinde von Trinkwasserknappheit betroffen war, stellten diese Gewissheit in Frage. Vor diesem Hintergrund präsentierte das Umweltministerium im Juni 2021 eine nationale Wasserstrategie. Insgesamt sei Deutschland zwar ein wasserreiches Land, so Umweltministerin Svenja Schulze, dennoch müsste jetzt Vorsorge ergriffen werden.

Um zu erklären, warum manche deutschen Gemeinden von Trinkwasserknappheit betroffen waren, braucht es einen Blick auf das Wetter der vergangenen drei Jahre: Aus meteorologischer Sicht sei das Jahr 2018 ja bereits außergewöhnlich gewesen, sagt Andreas Brömser vom Deutschen Wetterdienst. Denn 2018 war in seiner Gesamtheit das heißeste Jahr seit den Wetteraufzeichnungen im Jahr 1881. Es regnete bereits im Frühling sehr wenig, der Sommer war brütend heiß und auch der Herbst sei sehr trocken verlaufen. „Doch das Außergewöhnlichste war, dass noch zwei so heiße Jahre gefolgt sind“, sagt Brömser. Diese andauernde Dürre habe die Böden sehr stark ausgetrocknet, Grundwasser habe sich nicht wie gewöhnlich nachbilden können. Dass dann auch noch die darauf folgenden Winter nur „durchschnittlich regenreich“ waren, führte dazu, dass die Böden ihre Wasserdefizite von den vorhergehenden heißen Sommern nicht auffüllen konnten. Zumal gerade die Wintermonate für die Grundwasserbildung entscheidend sind. „Besonders die Austrocknung in den tieferen Schichten macht den Wäldern zu schaffen“, so Brömser.

Nicht ausreichend Regen für Sickerwasser

Auch Einar Eberhardt, Mitarbeiter der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe, bestätigt, dass deutsche Böden vielerorts zu trocken sind. „Die Regenfälle der letzten Monate haben im Durchschnitt nicht ausgereicht, um sogenanntes Sickerwasser nachzubilden“, so der Experte. Dieses Sickerwasser trägt jedoch unter anderem zur Neubildung von Grundwasser bei. Wenn sich aber nicht ausreichend Grundwasser neubilden kann und die Brunnen deutscher Orte nicht tief genug sind, um noch an das verbleibende Wasser ranzukommen, kann es zu Engpässen kommen. Dabei spielt Grundwasser in der Trinkwasserversorgung eine essenzielle Rolle: Mit fast 70 Prozent ist Grundwasser die wichtigste Ressource für die öffentliche Wasserversorgung in Deutschland, so zumindest ist es auf der Website der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) zu lesen.

Regen, wenn ihn keiner braucht

Neben Dürreperioden, die seit etwa drei Jahren schon vielerorts in Deutschland zu beobachten sind, könnte da in Zukunft noch ein weiteres Problem auf uns zukommen: Vermehrter Starkregen. Regen per se klingt zwar erst einmal gut. Dem Agrarmeteorologen Brömser zufolge sehe es aber so aus, als ob „der Regen dann vom Himmel kommt, wenn man ihn nicht braucht“. Anders als bisher, falle wohl in Zukunft weniger plätschernder Landregen, sondern vielmehr sintflutartiger Starkregen. Fällt der Starkregen auf ausgedörrte Böden, können diese die Feuchtigkeit jedoch nicht so gut aufnehmen, so Brömser. „Der Starkregen, der dann nicht verdunstet oder von Pflanzen aufgenommen wird, fließt schließlich über Flüsse und Bäche in die Meere und wird zu Salzwasser“, sagt Brömser. Dieses Wasser steht dann also zur Bildung von Grundwasser auch nicht mehr zur Verfügung. „Im vergangenen Mai haben zwar alle über das Regenwetter geschimpft“, so Brömser, „aber genau dieser regelmäßig vor sich hin plätschernde Regen ist ideal für die Böden und das Grundwasser“.

Trends, „die in die falsche Richtung gehen“

Zwei, die das Problem Wasserknappheit schon seit mehreren Jahren angehen, sind Ludwig Sigl und Markus Schmitz. Die beiden engagieren sich ehrenamtlich für das „Wasser-Info-Team“, einen bayerischen Verein, der die Menschen über das Lebenselixier Wasser aufklären möchte. Zwar sei die Wasserknappheit in Bayern stark unterschiedlich, aber in ihrer Heimat Niederbayern beobachten Sigl und Schmitz Trends, die „in die falsche Richtung gehen“. Ein Trend ist, dass im Sommer des Jahres 2018 in Niederbayern 33 Prozent weniger Niederschlag fiel als im Jahresmittel der Jahre 1971 – 2000. Im Sommer des Jahres 2019 betrug das Niederschlagsdefizit in Niederbayern 32 Prozent. Auch in den restlichen bayerischen Regierungsbezirken fiel in den Jahren 2018 – 2019 vergleichsweise wenig Regen, wie diese Grafik zeigt.

Fortschritt durch Technik

Weniger Niederschlag bedeutet trockene Böden und führt somit zu weniger Grundwasser. Doch während die Grundwasserneubildung wegen des Klimawandels immer mehr zum Problem wird, gibt es auch eine gute Nachricht: Die Neuerungen der Technik helfen uns beim Wassersparen. Wegen des steigenden Wassereinsparpotentials, zum Beispiel durch die Stopp-Taste bei der Toiletten-Spülung, ist die gesamte Wasserfördermenge in Deutschland seit mehreren Jahren rückläufig. Verbrauchte ein Einwohner in Deutschland vor knapp 30 Jahren durchschnittlich noch rund 147 Liter Wasser am Tag, lag der tägliche Wasserverbrauch im Jahr 2019 bei 125 Litern pro Kopf.

Verschwendung eines Luxusgutes

Dennoch sei es wichtig, die Menschen für das kostbare Gut zu sensibilisieren. Besonders die Verschwendung von Trinkwasser müsse aufhören. „Ich frage mich, ob den Leuten, die ihren Pool mit Trinkwasser aus der Leitung volllaufen lassen, eigentlich bewusst ist, was für ein Luxusgut sie da verschwenden?“, fragt Sigl. Auch das Sprengen von Fußball- oder Tennisanlagen kritisieren die Wasserexperten Sigl und Schmitz. Dabei ist Wasserverschwendung in Deutschland sogar durch das deutsche Wasserrecht verboten. Im §5 des Wasserhaushaltsgesetzes heißt es: „Jede Person ist verpflichtet (…) eine mit Rücksicht auf den Wasserhaushalt gebotene sparsame Verwendung des Wassers sicherzustellen.“ Schmitz, hauptberuflich Werkleiter des Wasserverbandes Mittlere Vils, fordert darüber hinaus, schon jetzt über Fernleitsysteme nachzudenken. Das Wasser eines nahegelegenen Stausees könnte so etwa für die Bewässerung des Gemüseanbaus in der Region genutzt werden. „Verbundsysteme schaffen und sich gegenseitig Wasser zukommen lassen“, darin sehen die beiden eine Lösung des Problems.

Maßvoller Umgang besser als Panik

Am Ende sind die beiden sich sicher: Von einer mehrjährigen Dürre, so wie vor etwa drei Jahren in Kapstadt in Südafrika, sind wir noch weit entfernt. Dennoch könnte auch in Deutschland Wasser zum Politikum werden. Politische Diskussionen darüber, wer wann welches Wasser bekommt, möchten Sigl und Schmitz gar nicht erst aufkommen lassen. „Wie die Lage in Zukunft sein wird, das wissen wir ja nicht“, so Schmitz. Vielleicht entschärfe sich die Situation, wenn es in den kommenden Jahren sehr viel regnet. Wichtig sei, die Menschen jetzt auf einen maßvollen Umgang mit Wasser aufmerksam zu machen. Wenn dann das komplexe Zusammenspiel zwischen Politik, Privatpersonen, Landwirtschaft und Wasserinfrastruktur beginnt ineinanderzugreifen, dann muss sich auch niemand Sorgen machen, dass eines Tages kein Tropfen mehr aus dem Hahn kommt.

Wie Wasserversorgung in Zukunft funktionieren kann: Ein lokales Beispiel