Halbtrocken, trocken, staubtrocken

Egal ob rot, weiß oder rosé: Jeder Wein braucht Wasser. Und davon ziemlich viel. Noch kann der Regen den Bedarf decken. Doch für die Winzer wird sich bald einiges ändern.

Von Anna-Lena Ils und Gerald Mayer

Die Sonne knallt vom Himmel auf den Weinberg in Sommerach. Rebe an Rebe reiht sich auf dem trockenen und staubigen Boden aneinander. Von Schatten keine Spur. Doch das scheint den Weinpflanzen nichts auszumachen. Selbst in der Mittagshitze lassen sie ihre saftig grünen Blätter nicht hängen. In den tieferen Schichten des Erdreichs ist genug Wasser gespeichert, um den Durst der Weinreben zu stillen – noch.

Immer weniger Niederschläge, ein früherer Frühlingsbeginn und immer mehr Tage mit hohen Temperaturen sind eine direkte Folge des Klimawandels. Waren Dürrejahre vor Jahrzehnten noch eine Ausnahme, sind sie in den vergangenen drei Jahren die Regel geworden. Die Weinpflanzen stellt das vor eine große Herausforderung. Zwischen 500 und 1.900 Litern Wasser braucht es für eine handelsübliche Flasche Wein von der Rebe bis ins Glas. Der Großteil davon fällt nicht etwa in der Kellerei an, in der die Trauben zu Wein verarbeitet werden, sondern viel früher: im Weinberg.
 
98 Prozent des Wasserverbrauchs des Weins wird internationalen Studien zufolge vom Regen abgedeckt. Etwa 0,5 Prozent entfallen auf Wasser aus Seen oder Flüssen. 1,5 Prozent auf Trinkwasser. Der Regen ist also Wasserlieferant Nummer eins für die Weinstöcke.

Wenn sich die Entwicklung der vergangenen Jahre allerdings fortsetzt und die Niederschlagsmengen auch weiterhin immer niedriger werden, müssen die Winzer am Wasserverbrauch schrauben. Dank des Regens ist der Anteil des Trinkwassers, das in der Weinproduktion eingesetzt wird, verschwindend gering. Der Klimawandel könnte die Anteile im Wasserfußabdruck in den kommenden Jahren allerdings ordentlich verschieben.

Blick über die Weinberge von Unterfranken (Thüngersheim) Video: Anna-Lena Ils

Im unterfränkischen Sommerach ist der Grundstein dafür schon vor Jahrzehnten gelegt worden: Ein Bewässerungssystem pumpt Flusswasser aus dem Main auf die Weinberge. Mit Trockenheit und Dürre hatte das damals allerdings nichts zu tun, erklärt Winzer Walter Pickel: „Das Bewässerungssystem ist schon vor sehr vielen Jahren entstanden, eigentlich vor drei Generationen.“ Pickels Großvater war einer der Mitbegründer des Beregnungsverbands Sommerach, der 1957 gegründet wurde und damals in erster Linie zur Frostberegnung gedacht war. Im Winter ließen die Winzer Wassertropfen über die Reben regnen, die bei Frost eine Schutzhülle aus Eis um die wertvollen Früchte bildeten. Für eine Sommerbewässerung ist ein solches System aber zu ineffektiv. Das Wasser landet zu großen Teilen neben den Pflanzen und verdunstet bei hohen Temperaturen, noch bevor es den Boden erreicht.

Als sich der Regenmangel in den Sommern der 2000er-Jahre immer deutlicher abzeichnete, gingen Pickel und der Beregnungsverband von Sommerach auf die Suche. Wie könnte das alte Bewässerungssystem so umgebaut werden, dass es die Weinernte auch in den nächsten Jahren sichert? Auf einer Reise durch Europa sind die Winzer fündig geworden: Eine Betröpfelungsanlage wirkt dem Regenmangel jetzt entgegen. Im trockenen Jahr 2003 habe der Verband die Winzer überzeugen können, dass das der Weg sei, die Sommeracher Weinberge für die Zukunft zu erhalten, erzählt Pickel. Seitdem tropft Flusswasser aus den schwarzen Schläuchen zwischen den Weinreben – allerdings nicht durchgängig. Nur am Wochenende und auch nur dann, wenn es notwendig ist, ist die Bewässerungsanlage in Betrieb. In trockenen Jahren ist das laut Pickel an fünf bis sieben Tagen der Fall.

Pro Durchgang würden etwa 8 Liter pro Weinstock aus dem Main in die Weinberge von Sommerach gepumpt. Bei 200 Hektar Anbaufläche kommen die Winzer dabei auf 8,5 Millionen Liter.

Betröpfelungsanlage in den Versuchsweinbergen der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau in Bayern. Video: Anna-Lena Ils

Auf die zusätzliche Bewässerung zu verzichten, ist für Pickel und seine Kollegen kaum noch vorstellbar: „Man würde wesentlich schlechtere Qualitäten einfahren oder man müsste die Mengen extrem reduzieren.” Selbst über einen höheren Preis für den Frankenwein sei das nicht zu kompensieren.

In der Weinregion Franken werden schon jetzt rund 20 Prozent der Weinberge zusätzlich bewässert, erklärt Daniel Heßdörfer von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau (LWG) in Bayern. Tendenz steigend: Wenn sich der Dürretrend fortsetze, müssten schon bald weitere Weinbauflächen mit Bewässerungsanlagen ausgestattet werden. Im Versuchsweinberg forscht Heßdörfer inzwischen an unterirdischen Bewässerungssystemen. Der Winzer der Zukunft soll sie per App starten können.

Daniel Heßdörfer von der Landesanstalt für Wein- und Gartenbau im Versuchsweinberg. Foto: Anna-Lena Ils

Die zusätzliche Bewässerung ist aber nicht die einzige Stellschraube gegen die Trockenheit, an der Heßdörfer in den anstaltseigenen Weinbergen dreht. Einige Weinsorten kommen mit dem niedrigen Niederschlag besser zurecht als andere. Die Sorten Müller-Thurgau oder Bacchus etwa seien nicht sehr anpassungsfähig. Auf lange Sicht sei es denkbar, dass diese Rebsorten in Franken nur noch selten angebaut würden. Der fränkische Silvaner komme mit dem trockeneren Klima besser klar, erklärt Heßdörfer. Wenn das Klima also weiterhin trockener wird, muss mehr bewässert oder die alten Weinstöcke müssen durch neue, anpassungsfähige Sorten ersetzt werden. Schon diese Investition kann sich nicht jeder Winzer leisten. Und selbst wenn: Bis die jungen Weinstöcke Früchte tragen, die zu Wein verarbeitet und verkauft werden können, dauert es bis zu vier Jahre.

Hier ist nicht nur der Wein trocken…

Wenig Niederschlag und trockene Böden sind nicht alleine ein fränkisches Problem. In vielen Teilen Deutschlands sind Weinbauregionen und Dürregebiete deckungsgleich. In den kommenden Jahren könnte sich die Trockenheit vielerorts noch verschärfen.

Vergleichen Sie Weinanbaugebiete und Dürregebiete in Deutschland miteinander, indem Sie den Regler nach rechts und links bewegen:

Eine Karte zeigt, in welchen Regionen Deutschlands sich Weinanbaugebiete und trockene Gebiete überschneiden.
Eine Karte zeigt, in welchen Regionen Deutschlands Wein angebaut wird.

300 Kilometer weiter nordwestlich, in den Weinbergen des Ahrtals, ist eine Tröpfchenbewässerung wie in Franken noch kein großes Thema. Bisher mussten die Winzer in der Region im Norden von Rheinland-Pfalz ihre Weinberge nur in extremen Dürre-Jahren bewässern, erklärt Weintechnologe Peter Brombach. 2003 und 2018 etwa.

Ein Weinberg des Weinguts Brogsitter im Ahrtal. Video: Gerald Mayer

In der großen Produktionshalle des Weinguts Brogsitter, für das Brombach arbeitet, reiht sich ein Weintank an den anderen. Füllmenge: je 25.000 Liter. Keine drei Meter entfernt laufen Piccolo-Weinflaschen durch die industrielle Produktionsstraße. Die Anlage reinigt das Glas, füllt den Wein ab, verschließt die Flaschen und klebt das Etikett auf.

An der Großkellerei lässt sich der letzte Aspekt des Wasserfußabdrucks unseres Weins näher beleuchten: das Trinkwasser. Zwischen vier und zehn Liter Wasser werden Studien zufolge in einer großen Weinkellerei wie dieser pro Flasche verbraucht. Auf den letzten Metern der Weinherstellung kommt somit etwa der Inhalt eines handelsüblichen Putzeimers Leitungswasser auf eine Flasche Wein.

In der Produktionsstraße werden die Flaschen befüllt und verschlossen. Video: Gerald Mayer

Wenn die Trauben nach der Ernte im Weingut angeliefert werden, dauert es nicht lange, bis die Wasserleitung aufgedreht wird. Die Früchte werden gepresst und der flüssige Most in Tanks gepumpt. Hefebakterien wandeln darin den Zucker im Fruchtsaft zu Alkohol um. „Hier brauchen wir das Wasser, um die Temperatur zu regulieren”, erklärt Brombach und zeigt auf einen der großen Tanks. „Wenn es zu kalt wird, arbeitet die Hefe nicht richtig. Wenn es zu warm wird, gehen Aromen im Wein verloren.” Deshalb hat der Tank eine Doppelwand, durch die Wasser fließt. Ohne mit dem Produkt in Berührung zu kommen, hält das Wasser den Most auf einer idealen Temperatur. Im Weingut Brogsitter sei Wasser außerdem das wichtigste Hygienemittel, erklärt Brombach. Ein Schlauch und etwas Hitze – mehr braucht es nicht, um die großen Tanks in der Produktionshalle von Bakterien und Traubenresten zu befreien.

Nur wenige Schritte und einige Treppenstufen trennen den Produktionsbereich vom Weinkeller des Familienbetriebs. Holz statt Stahl bestimmt das Bild. In mehreren Dutzend Eichenfässern lagern hier Rot- und Weißweine aus verschiedenen Jahrgängen. In jedem Fass 225 Liter Wein. Für Brombach ist der hohe, kühle Raum das Herzstück des Weinguts.

Wenn der Wein abgefüllt und die Fässer leer sind, kommt auch hier wieder Trinkwasser ins Spiel. Das Holz wird im Wechsel mit 130 Grad heißem Wasserdampf und kaltem Wasser aus der Leitung gereinigt. „Der Wasserdampf tötet alle Bakterien ab. Das kalte Wasser sorgt anschließend dafür, dass sich das Fass ruckartig abkühlt. Es entsteht ein Unterdruck, der mögliche Ablagerungen löst”, erklärt der Weintechnologe und prüft die Außenseite der Fässer. Damit das Holz nicht austrocknet und Risse bekommt, wird es regelmäßig mit Wasser benetzt.

Peter Brombach im Herzstück des Weinguts. Video: Gerald Mayer

„Das Wasser berührt bei uns fast ausschließlich sterile Oberflächen oder kommt in Kontakt mit Lebensmitteln. Das heißt, es wird weitestgehend unverschmutzt wieder zurück in den Wasserkreislauf gebracht. Ich finde: Wenn man Wasserbedarf hat, kann man gar nicht nachhaltiger produzieren”, meint Brombach. Ein schlechtes Gewissen müsse also niemand haben, der eine Flasche Wein kaufe.

Für alle, die beim Weinkauf dennoch auf ihren Wasserfußabdruck achten wollen, empfiehlt es sich lokal zu kaufen. Auf dem Weg zum Kunden wird nämlich mehr Wasser verschmutzt als im gesamten Produktionsprozess des Weins: beim Transport mit dem Schiff aus Übersee oder mit dem Lastwagen quer durch Europa. Und am Ende hilft das auch gegen den Klimawandel, der den Winzern und ihrem Wein das Leben schwer macht.

Wie wir beim Weinkauf Wasser sparen können: